Wie Bauen in der Zukunft klimaneutral werden kann
Sonocrete ist eine Wortschöpfung aus sonus (Schall) und concrete (Beton) und bringt so international verständlich auf den Punkt, was die forschungsbasierte Ausgründung um Geschäftsführer Ricardo Remus im Kern tut: unter Einsatz von Schallwellen wird eine kostengünstigere und CO2-reduzierte Betonproduktion ermöglicht. Da die Betonproduktion für 8 % der CO2-Emmissionen verantwortlich ist, kann diese Technologie bahnbrechend sein für die künftige CO2-Bilanz des Bauens. Wir treffen Sonocrete-CFO Nora Baum unter dem gemeinsamen temporären Arbeitsdach, dem Startblock B2. Mit ihr sprechen wir über die Ursprünge und die Ausblicke des jungen Unternehmens. Die sprühende Powerfrau nimmt uns außerdem mit auf ihren Werdegang und empfiehlt eine ganz besondere Art, sich in der Boomtown fortzubewegen.
Name: Nora Baum
Geburtsjahr/-ort: 1981 in Leipzig (ab 1984 in Cottbus)
Berufliches Zuhause: kaufmännische Leitung bei Sonocrete
Hobbies: Bouldern, Garten, Reisen, Arabisch lernen
Status: Rückkehrerin
Es scheint, als ginge eure Technologie durch die Decke. Man liest häufig von Sonocrete, erst kürzlich habt ihr an der Mammutbaustelle des neuen ICE-Bahnwerks in Cottbus mitgewirkt. Lässt sich der Boom einfach erklären?
Wir machen Bauen nachhaltiger, das ist unser wichtigstes Pfund. Viele Bauherren und -unternehmer legen in jüngster Vergangenheit besonderen Wert auf dieses „Siegel“ – daher das große Interesse an Sonocrete. Dabei sind wir noch immer in den Kinderschuhen. Bis Jahresende werden wir die ersten sechs bis acht Anlagen ausliefern können. Bisher, auch für die Deutsche Bahn in Cottbus, haben wir mit unserem Prototypen gearbeitet, den wir teilweise selbst transportieren und aufbauen. Das ist noch echter Gründergeist!
Was hat dich davon überzeugt, bei Sonocrete einzusteigen und wie hat deine Laufbahn dich auf deine aktuellen Aufgaben vorbereitet?
Nach meinem Abitur in Cottbus, ging ich 2001 für ein BA-Studium der Bankwirtschaft nach Leipzig. Danach studierte ich Soziologie- und Politikwissenschaft-Studium in Mannheim. 2009 kam ich dann – mittlerweile mit Familie – zurück nach Cottbus. Nach vielen Jahren in der Unternehmensberatung und einer Promotion bei Frau Prof. Hipp setzte ich ab 2017 mit einem Co-Gründer die Idee für Pattarina (App zur Übertragung digitalen Schnittmuster auf Stoff) im Rahmen eines Gründungsstipendiums um. Leider mussten wir aber wegen erfolgloser Finanzierungssuche in der Corona-Zeit alle Mitarbeiter und uns selbst entlassen. Durch Zufall kam ich Ende 2020 mit Ricardo Remus, Mitgründer von Sonocrete, ins Gespräch. Sehr kurze Zeit später war ich schon an Bord. Für meine Aufgaben als kaufmännische Leiterin hat mich meine Tätigkeit als Unternehmensberaterin und meine eigene Gründung bestens vorbereitet. So schließt sich der Kreis wieder. Von der Geschäftsidee war ich übrigens sehr schnell überzeugt. Meine Motivation ist groß, beruflich etwas Nachhaltiges zu schaffen, das ich später meinen Kindern gegenüber vertreten kann.
Kannst du uns einmal möglichst einfach beschreiben, wie Sonocrete wirkt?
Für die Herstellung von Beton benötigt man ziemlich viel Zement. Dieser ist entscheidend für das schnelle Festwerden des Betons. Bei der Verarbeitung des Kalksteins zu Zement wird zum einen CO2, der im Kalkstein gebunden war, freigesetzt. Zum anderen ist eine Temperatur von ca. 1500 Grad nötig, was natürlich viel Energie verbraucht. Dass Ultraschall hilfreich sein kann, um die Betonerhärtung zu optimieren, erforschte man schon sehr lange, etwa seit dem 2. Weltkrieg. Die korrekte Anwendung hat Ricardo mehr oder weniger einem Zufall zu verdanken. Nutzt man Ultraschall nur für den Mörtel, also einen Teil Wasser und Zement, entsteht eine reaktive Masse ähnlich dem Sauerteig bei der Brotherstellung. Diese sorgt dann dafür, dass chemische Verbindungen schneller entstehen und weniger Zement eingesetzt werden muss. Wir reduzieren so den Zementanteil in der Betonherstellung um 30 %.
Was sind eure nächsten Meilensteine, wie geht die Sonocrete-Reise weiter?
Der Anlagenbau ist teuer und zeitaufwändig. Wir wollen das Thema Marktreife aber schnellstmöglich vorantreiben. Außerdem konzentrieren wir uns auf wachsende internationale Bekanntheit. Es gibt schon Partner in Kanada, Australien – die USA bearbeiten wir gerade. Auch EU-weit sind wir dabei und Asien als wichtiger Markt wird relativ bald folgen.
Du sagst, Anlagenbau sei teuer – wie finanziert ihr eure Entwicklung?
Wir konnten einen Investor aus Österreich gewinnen und haben außerdem viel öffentliche Förderung eingeworben.
Noch nicht ganz den Kinderschuhen entwachsen, muss eure Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn ja bahnbrechend gewesen sein?
Auch mit nur einem Prototyp arbeiten wir inzwischen mit Betonwerken in ganz Deutschland zusammen. Vor allem in Süddeutschland kommt der beschallte Beton für die Fertigteil-Produktion zum Einsatz. Das Cottbuser Wirtschaftsdezernat hatte uns für den Pitch der Deutschen Bahn empfohlen. Die Verantwortlichen sind schnell vom klimafreundlicheren Verfahren und uns als Cottbuser Start-up überzeugt gewesen. Für Stützen und Binder der Halle des neuen Instandhaltungswerks in Cottbus baute der Konzern mit unserem Beton. Wir hoffen dass wir auch bei der zweiten Halle dabei sein können.
Wagst du für uns einen Blick in die Zukunft der Baustelle?
Ich hoffe, wir werden klimafreundlich oder sogar klimaneutral bauen können. Ein höherer Anteil von Fertigteilen vereinfacht den Bau zusätzlich und bedeutet deutlich weniger Lärm und Staub. Das sind doch schon recht gute Aussichten!
Wenn nicht gerade mit eurem Prototypen im ganzen Land, wo in Cottbus bist du am liebsten unterwegs? Was wäre dein Tipp für Neuankömmlinge?
Mein Lieblingsort ist eher ein Lieblingsweg und dazu noch ein unbeständiger. Ich stehe mit Begeisterung auf dem Stand-Up Paddle und fahre die Spree entlang. Je nach Zeitbudget empfehle ich als Einstieg die Markgrafenmühle bis hinunter zum Spreewehr. Meine kürzere Tour beginnt an der Kahnanlage, Höhe SpreeCafé. Ich finde, die Cottbuser haben ihren herrlichen Fluss noch nicht angemessen beschlagnahmt. Gut für mich, denn auf dem Wasser ist es schön ruhig.
Wir bedanken uns für das Gespräch.Das Interview führte Solveig Schaal.
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Hier geht es zur Unternehmensseite: www.sonocrete.com
Aktuell hat Sonocrete vier Jobs im Angebot, in den nächsten drei bis fünf Jahren sollen aus aktuell 20 Mitarbeitenden mindestens doppelt so viele werden: https://www.sonocrete.com/jobs