Wann, wenn nicht jetzt – IHK, HWK und Startup Lausitz bündeln Kräfte für deine planvolle Unternehmensnachfolge

Namen: Anna-Lena Stück, Anja Beck & Annika Dubrau

Herkunft: Anna-Lena Stück aus Braunschweig, heute in Lübben | Anja Beck aus Spremberg, heute in Spremberg | Annika Dubrau aus Calau, heute in Forst

Berufliches Zuhause: IHK, HWK & Startup Lausitz

Status: Lausitzerinnen

Nachfolge sei das neue Gründen, proklamiert die IHK Cottbus. Damit Nachfolge gelingt, ist reichlich Vorarbeit nötig – von allen Seiten. Es braucht rechtzeitige Anbahnung, ein Match für Angebot und Nachfrage, Ausbalancieren von Risiken und Chancen sowie Begleitung mit Fingerspitzengefühl und Knowhow. Weil der Bedarf nicht vor Stadtgrenzen Halt macht, engagieren sich die Beteiligten Südbrandenburg-weit. Eine erfolgreiche Kollaboration in der Boomtown-Region Lausitz bildet das Trio aus Industrie- und Handelskammer (IHK), Handwerkskammer (HWK) und Startup Lausitz. Das gemeinsame Projekt der Kammern zur Förderung der Sensibilisierung für frühzeitige Unternehmensnachfolgeregelungen wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg (MWAE) und der Europäischen Union mittels Zuwendungen unterstütztWelche Erfahrungswerte die Verantwortlichen bereits sammeln konnten, welche Rolle dabei die Chemie spielt und was Nachfolge-Interessierte beachten sollten, erfahren wir heute im Gespräch mit Anna-Lena Stück, Projektleiterin Nachfolge bei der IHK Cottbus, Anja Beck, Mitarbeiterin Unternehmensnachfolge bei der HWK Cottbus und Annika Dubrau von Startup Lausitz.

Wie groß ist aktuell der Bedarf bei Unternehmensnachfolgen und wie gestaltet sich die Suche nach geeigneten Kandidaten?

Anna-Lena Stück: Auf beinahe jeden zweiten Unternehmensinhaber kommt in den nächsten zehn Jahren das Thema Nachfolgeregelung zu – hier nehmen sich die Mitgliedsunternehmen der IHK und HWK nichts. Laut DIHK-Report bestehen die größten Herausforderungen im Mangel an passenden Nachfolgenden, aber auch an Angeboten. Das betrifft nahezu die Hälfte der Befragten auf beiden Seiten. Außerdem ist der Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer häufig attraktiver und kalkulierbarer.

Anja Beck: Der Bedarf an Führungspersönlichkeiten, Machernsowie Menschen, die das Risiko nicht scheuen und ein gutetabliertes Unternehmen mit festem Kundenstamm übernehmen möchten ist groß. Das ist die Chance für junge, engagierte Menschen zur beruflichen Entfaltungsmöglichkeit im Handwerk. Deshalb lohnt es sich, die Unternehmensübergabe besonders in den Fokus des Gründungsgeschehens zu rücken.

Annika Dubrau: Daher kam es auch zu unserer Kooperation. Durch den intakten Austausch decken wir ein breiteres Spektrum an Service ab und können Interessierte besser vermitteln. Für uns steht zwar das Gründen im Vordergrund. Wir weisen aber gern darauf hin, dass es nicht immer eine komplett neue Idee braucht. Ein bestehender Mitarbeiter- und Kundenstamm beispielsweise birgt große Vorteile.

Wann sollten Unternehmer das Thema Nachfolge angehen und wie viel Vorlauf ist ratsam?

Anja Beck: Der Prozess sollte je nach Situation etwa 10 Jahre vor dem Rentenalter begonnen werden, also im Alter von etwa Mitte 50. Die Gespräche beginnen wir meist mit einer Sensibilisierung für das Thema, denn das Tagesgeschäft hält oftmals von solchen strategischen Überlegungen ab.

Anna-Lena Stück: Das hat auch einen steuerrechtlichen Hintergrund, da man ab 55 Jahren sein Unternehmen laut Steuerrecht begünstigt verkaufen kann. Auch Banken vergeben dann noch ungern Kredite, so dass es Planungsbedarf für nötige Investitionen gibt. Eine weitere Herausforderung besteht in der Analyse der Unternehmens-Attraktivität und Umsetzung entsprechender Maßnahmen, um für potenzielle Nachfolger interessant zu sein. Das braucht einen gewissen Vorlauf.

Wie kann man sich so einen Übergabe-Prozess vorstellen und wie intensiv ist eure Beratung?

Anja Beck: Ich habe noch keine Nachfolge begleitet, die identisch mit einer vorherigen war. Wir sprechen hier immer von einem individuellen Prozess und stimmen alle Schritte miteinander ab. Für viele ist es auch hilfreich, den vermeintlich großen Berg in kleinen Arbeitspaketen anzugehen. Wir geben dann Teilziele vor und halten diese nach. Dafür sind die Altinhaber dankbar. Zudem unterscheiden sich die Erfordernisse von HWK und IHK-Betrieben. Ein Großteil der Gewerke sind zulassungspflichtig. Damit ist für die Übernahme eines Handwerksbetriebs der Meisterbrief Voraussetzung oder eine adäquate anerkannte Ausbildung bzw. Studium. Was ggf. fehlt, kann mit passenden Kursen ergänzt oder nachgeprüft werden. Manchmal gibt es auch Ausnahmegenehmigungen, z.B. für Altgesellen. Dies prüft im Einzelfall die Handwerksrolle.

Anna-Lena Stück: Wir haben nicht ganz so starke Hürden, ein Jahr sollte die Übergabephase aber auch bei bester Eignung mindestens dauern.

Welche Rolle spielt Sympathie zwischen beiden Seiten?

Anja Beck: Wenn keine Sympathie da ist, kann Nachfolge schwer funktionieren. Wir empfehlen immer in einem ersten Gespräch abzustecken, ob die Chemie stimmt und die groben Vorstellungen in eine ähnliche Richtung gehen. Beide Seiten müssen in der Lage sein, intensiv zusammenzuarbeiten und viel Zeit und Vertrauen investieren.

Wie leicht fällt das Loslassen für Inhaber nach eurer Erfahrung?

Annika Dubrau: Die Fäden abzugeben, die man bisher gezogen hat, ist schon eine große Herausforderung. Nicht zu wissen, wie der andere das Geschäft wohl weiterführen wird, ist wohl eines der größten Hemmnisse.

Anja Beck: Viele Unternehmer hängen an ihrem Lebenswerk mit großem Herzblut. Wenn die Firma über Jahrzehnte der erste und letzte Tagesinhalt war, regen wir auch an darüber nachzudenken, was das Leben nach der Übergabe beinhalten könnte. Das sollte visualisiert werden, damit der Abschied leichter fällt. Manche Altinhaber gehen selbst nach der Übergabe noch im Betrieb ein und aus, einfach weil sie nichts anderes kennen.

Welche Erfolgsbeispiele für zurückliegende Übernahmen fallen euch ein, für die eure Zusammenarbeit hilfreich war?

Annika Dubrau: Wir durften schon einige Betriebsübernahmen begleiten, wo die Besonderheit darin bestand, ohne Meisterbrief zu gründen. Hier arbeiten wir dann mit den Kammern zusammen und besprechen die Möglichkeiten einer Altgesellenregelung. 

Anna-Lena Stück: Das Beispiel Familienunternehmen passt hier gut. Übernahmen werden in diesem Bereich immer seltener, da die Eltern oft keine guten Unternehmer-Vorbilder waren und zu viel Stress und Ärger am Esstisch abluden. Dort, wo Familienübernahmen aktuell erfolgreich stattfinden, konnten die Eltern positive Assoziationen geschaffen, haben Wert auf Familienzeit gelegt und die Kinder optimal in die selbständige Tätigkeit einbezogen. 

Die Kombination der Kompetenzen von HWK, IHK und Gründungsberatung ist also vielversprechend für den Übernahmeprozess. Hebt sich die Boomtown-Region Lausitz damit von Nachbarn ab?

Anja Beck: Das Förderprogramm für die frühzeitige Sensibilisierung von Unternehmensnachfolgen bezieht sich nur auf Brandenburg und die zu 100 % geförderte Beratung der Nachfolger wie Gründer ebenfalls. Das kann man schon als Standortfaktor werten.

Anna-Lena Stück: Im Vergleich zu Berlin oder Sachsen bekommen Interessierte bei uns zudem deutlich schneller Beratungstermine, ohne lange Wartezeiten.

Annika Dubrau: Das Förderprojekt „Gründen in Brandenburg“ Akronym: GiB, existiert tatsächlich nur im Land Brandenburg und macht es so einzigartig. Wer also mit einer komplett neuen Idee gründen möchte oder eine Unternehmensnachfolge anvisiert, kann sich gerne bei uns melden. 

Zum Stichwort Standortfaktoren wüssten wir zu guter Letzt gern wieder eure Lieblingsorte in Cottbus. Was sollten sich Neu-Cottbuser:innen unbedingt ansehen?

Annika Dubrau: Cottbus hat im Ganzen viel zu bieten. Als Familie finden wir den Skaterpark im Puschkinpark oder auch die Boulderhalle spannend.

Anna-Lena Stück: Ob in der Mittagspause oder nach Feierabend – ein Spaziergang durch die Puschkinpromenade führt an vielen sehenswerten Villen vorbei.

Anja Beck: Ich mag besonders die grüne Innenstadt und das vielfältige kulinarische Angebot. 

Wir bedanken uns für das Gespräch. Das Interview führte Solveig Schaal.

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